Laborjournal Blog

Wie Junk-Manuskripte auf Kosten der Ehrlichen gehen

3. Dezember 2025 von Laborjournal

Immer größer werden die Flutwellen, mit denen Paper Mills und Raubverlage gefakte Publikationen in den Scientific Record zu spülen versuchen. Zuletzt hatten wir das hier und hier thematisiert.

Mal abgesehen von dem schlimmen Schaden, den diese Entwicklung der gesamten Wissenschaft beschert: Was bedeutet das konkret für den Peer-Review-Prozess seriöser Journale? Zum einen rutscht immer mehr solcher Schund bis zu deren Reviewern durch, die dann völlig umsonst den Rotstift spitzen – bis sie vielleicht erst nach Stunden merken, dass das Manuskript nicht sauber ist. Wenn überhaupt …

Doch selbst wenn der Betrug schon im Editorial Office entdeckt wird: Bis zur unmittelbaren Ablehnung via Desk-Rejection haben die Einreichungen der faulen Kuckuckseier schon Geld und Mühe gekostet. Auf der Online-Plattform Scholarly Kitchen hat der Kanadier Tim Vines, Gründer des KI-Startups DataSeer zur Förderung von Open Science, diese Unkosten mal beispielhaft folgendermaßen durchgerechnetDiesen Beitrag weiterlesen »

Editorial
Editorial

Digitales Nikotin

26. November 2025 von Henrik Müller

Ein Leben ohne Handy? Wie archaisch! Wer weckt mich denn dann? Wer vernetzt mich? Wer amüsiert und unterhält mich? Wer erinnert mich? Wer weist mir den Weg? Wer lehrt mich neue Sprachen? Wer überwacht meine Schritte, Kalorien, Überweisungen? Auszukommen ohne die Tausenden Apps der Google Play- und Apple Stores wäre einfach … hmmhm … mühselig! Keine Ahnung, wie Menschen klarkamen am Ende der Steinzeit vor 25 Jahren.

Natürlich könnte ich problemlos digital detoxen und auf mein Mobiltelefon verzichten – bilde ich mir regelmäßig ein und finde es doch jeden Morgen neben meinem Bett wieder. Zeit für die Wahrheit: Bin ich süchtig? Wie konnte das geschehen? Wer trägt die Schuld daran? Für Letzteres brauchen wir nur in den Spiegel schauen. Doch natürlich ist es zu früh am Morgen, um sich selbst zu hinterfragen. Projizieren wir die Schuld also lieber … auf den Säbelzahntiger! Denn erneut lauert er. Und wir? Wir zittern, unser Herz rast, unsere Schweißdrüsen reagieren, doch diesmal nicht auf das Gebrüll der Großkatze, sondern auf die Stille sozialer Isolation. Schließlich ist ein „totes“ Handy eine ebenso existenzielle Bedrohung wie einstmals die Reißzähne der Säbelzahnkatze. Diesen Beitrag weiterlesen »

„Psst! … Paper gefällig? …“

19. November 2025 von Laborjournal

Aus der Reihe „Forscher Ernsts üble Träume …“:

(Gezeichnet von Rafael Florés. Über 200 weitere Labor-Abenteuer von „Forscher Ernst“ gibt es hier.)

 

Krötenschlecken

12. November 2025 von Henrik Müller

Lecken Sie besser keine Kröten! Auch wenn es gerade in den sozialen Medien trendet, so herrlich nach Liebes- und Zaubertränken klingt und noch dazu irgendwie in die stürmische Jahreszeit passt, sollte eigentlich klar sein: An Tieren zu schlecken, ist kein smarter Move – schon gar nicht, wenn es sich um Krötenhaut handelt. Überlassen Sie das – wenn schon nicht aus persönlichen dann aus Tierschutzgründen – besser Anderen.

So oder ähnlich kolportieren diese Meldung aktuell zahlreiche Medien – von überregionalen Nachrichtenagenturen und Zeitungen wie Tagesschau, Welt und Bild über öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wie MDR und SWR bis hin zu Fach- und Publikumsmedien wie Thieme, Apotheken-Umschau und Deutsche Apotheker Zeitung. Sie alle wissen: „Junge Erwachsene, vor allem Studierende, mit Hang zu Risikoverhalten oder Gruppendruck lecken an Colorado- und Aga-Kröten, um einen psychoaktiven Rausch zu erleben.“ Bis vor kurzem war dieser kreuzgefährliche Trend noch auf Colleges in Australien und den Südstaaten der USA beschränkt. Doch aktuell schwappt er nach Deutschland über. Also Achtung, Vergiftungserscheinungen und Todesfälle drohen (*) – wie zahlreiche Videos und Erfahrungsberichte zum Krötenschlecken in den sozialen Medien belegen.

Angeblich jedenfalls. Denn die Crux daran: Diesen Beitrag weiterlesen »

Intelligentes Schnitzel

5. November 2025 von Henrik Müller

Eigentlich möchte man doch gar nicht wissen, dass das Schnitzel auf dem Teller intelligenter war als das eigene Kleinkind, oder? Denn denkt man länger über das panierte Fleischstück nach, ergibt sich prompt ein ethisches Dilemma: Falls Nutztiere dem eigenen Nachwuchs kognitiv und emotional wenig nachstehen, lassen sie sich dann noch essen? Wahrscheinlich nicht. Das ist ja so, wie etwas zu verspeisen, dem man zuvor einen Namen gegeben hat. Isst man auch nicht! (Zumindest solange, bis am Sonntagmorgen wieder der Duft von brutzelndem Bacon aus der Küche herüberwabert – dann strauchelt die eigene Entscheidung natürlich wieder). Diesen Beitrag weiterlesen »

Frische Köpfe statt alte Zöpfe: Warum Rookies die Wissenschaft disruptiver machen

29. Oktober 2025 von Laborjournal

Wer disruptive Forschung will, sollte sich ein paar Frischlinge ins Team holen. So kann man salopp das Fazit einer Studie zusammenfassen, die die beiden Computerwissenschaftler Mahdee M. Kamal und Raiyan A. Baten aktuell als Preprint vorstellen (arXiv. doi.org/g95jrj). Deren Ergebnis in einem Satz: Je mehr Forschungsanfänger ohne vorherige wissenschaftliche Publikation an einem Paper beteiligt sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Arbeit als „disruptiv“ durchgeht. „Disruptiv“ heißt hier: Alte Denkpfade werden aufgebrochen und mit neuen kombiniert, unkonventionelle Perspektiven werden eingenommen, Paradigmen werden in Frage ­gestellt und Riskantem wird eher nachgegangen. Genau das also, was Wissenschaft eigentlich anstreben sollte – womit sie sich jedoch immer wieder ziemlich schwer tut.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Die Schlüssel zum evolutionären Erfolg

22. Oktober 2025 von Laborjournal

Was bewirkte eigentlich die Kambrische Explosion? Oder fragen wir spezifischer: Wie kommt es, dass eine bis dato eher kleine Organismengruppe plötzlich „explodiert“? Dass sie sich eruptiv in viele Arten diversifiziert, die plötzlich ganz neue ökologische Ausbreitungsmöglichkeiten haben?

Seit langem bemüht die Evolutionsbiologie als zentrale Erklärung dafür das Konzept der Schlüsselinnovation. Dabei steht die Idee im Vordergrund, dass am Anfang der Erwerb eines ganz bestimmten Schlüsselmerkmals – sei es eine strukturelle, eine physiologische oder eine Verhaltensanpassung – das Besiedeln neuer Lebensräume ermöglicht und damit den Startschuss für die weitere adaptive Radiation gibt. Allerdings lassen immer mehr Beispiele Zweifel an der Simplizität dieses Konzepts zu: So mussten viele ehemals als Schlüsselinnovationen gefeierte Merkmale im Rückblick relativiert oder ganz zurückgenommen werden. Umgekehrt wurde in anderen Fällen der evolutionäre Neuerwerb einer einzelnen Eigenschaft allzu schnell als Schlüsselinnovation verkauft, obwohl die Anhaltspunkte dafür von Beginn an dürftig waren.  Diesen Beitrag weiterlesen »

Manege frei: Der salzliebende Panzerknacker

16. Oktober 2025 von Laborjournal

Die Welt der Lebewesen ist bunt und vielfältig. Von den meisten Organismen bekommen wir nicht viel mit, sie halten sich versteckt oder wir übersehen sie schlicht. Aber manche von ihnen haben außergewöhnliche Kunststücke drauf, die wir Ihnen unregelmäßig hier auf dieser Bühne präsentieren möchten – ganz nach dem Motto: raus aus der Nische, rein in den Blog. Manege frei für den ersten (Überlebens-)Künstler: ein salzliebender Panzerknacker aus der sibirischen Steppe.

Die Entdeckung: Der russische Mikrobiologe Dimitry Sorokin hat ein Faible für hypersaline Ökosysteme, sprich Salz- und Soda-Seen, wie sie auch im Südwesten Sibiriens in der Kulundasteppe an der Grenze zu Kasachstan vorkommen. Diese Seen können durchaus bis zu 400 g Salze pro Liter enthalten, bei einem pH-Wert von bis zu 11,0. Wer hält es da schon lange aus? Zum Beispiel das Archaeon Natrarchaeobius chitinivorans, das Sorokin und Kollegen aus einem Soda-See in eben jener sibirischen Steppe fischten und 2019 beschrieben (Syst Appl Microbiol. doi.org/gfthd8). Bei genauerer Betrachtung des Archaeon-Genoms stellte sich jedoch heraus, dass eines der Isolate wahrscheinlich eine eigene Spezies ist. Aus dem N.-chitinivorans-Isolat AArch7 machten die Mikrobiologen kürzlich N. oligotrophus (Front Microbiol.doi.org/p8q4).  Diesen Beitrag weiterlesen »

Ihre Liebesbotschaft!

9. Oktober 2025 von Henrik Müller

Endlich liefert Ihr Proteinassay das Ergebnis, auf das Sie so lange gehofft haben. Ihr Paper können Sie damit schreiben. Fantastischer Tag! Natürlich ist es das Erste, was Sie abends Ihren Liebsten erzählen. Stolz berichten Sie. Und was kommt zurück? „Super! Gratulation! Reich mir doch mal den Streichkäse!“

Doch das hält Sie nicht davon ab weiterzuplaudern. Sie zaubern Ihr Meisterwerk hervor, um endlich das angemessene familiäre Interesse zu wecken: eine kunstvoll grafisch aufbereitete, sorgfältig kolorierte Abbildung Ihrer neuesten Daten – ganz ohne technischen Schnickschnack, nur die Interpretation Ihres Ergebnisses, sodass auch Oma Käthe es versteht. Ihr Lächeln reicht von Ohr zu Ohr. Ihre Körpersprache ist einladend: offene Handflächen, Augenkontakt, lebendige Gestik. Während Sie tief Luft holen, um mit der Erklärung loszulegen, hat Ihre bessere Hälfte schon geantwortet: „Hübsche Farben hast du da. Erinnert mich irgendwie an Schmetterlinge! Nett. Sag mal, hast du an den Termin in der Werkstatt gedacht? Und den Elternabend morgen?“

Sie plumpsen zurück in die Wüste der Wirklichkeit. Einmal mehr können Sie wählen zwischen: Diesen Beitrag weiterlesen »

Fallschirm und Rettungsboot?

1. Oktober 2025 von Henrik Müller

Beeinflussen übelriechende Schuhe das Nutzungserlebnis eines Schuhregals? Mögen Fliegen auch Kühe mit aufgemalten Zebrastreifen? Was halten Babys von Muttermilch mit Knoblauchgeschmack? Nach welchen Kriterien wählen Eidechsen Pizza aus? Jedes Jahr im September prämiert der Ig-Nobelpreis Forschungsprojekte wie diese, die erst zum Lachen, dann zum Nachdenken anregen.

Der bedeutsamste Preis des Jahres 2025 – zumindest in den Augen von Laborjournal – ging in der Kategorie „Frieden“ an Diesen Beitrag weiterlesen »